Ein gross angelegtes Projekt veranschaulicht den Baumschutz in Herrliberg mit schweizweiter Einmaligkeit
Einen Baumriesen an einem viel begangenen Ort bis zu seiner natürlichen Zersetzung stehen zu lassen und dabei auch seine nächste Umgebung miteinzubeziehen, ist in der Schweiz ein Novum. Der hier in der Breiti eingefriedete naturnahe Garten soll erlebbar machen, wie ein zukunftstauglicher Umgang mit einem ehrwürdigen Baum aussehen kann und dabei Mensch, Tier und Pflanze schützt.
Von den vielen Hochstamm-Obstbäumen der bis 1960 noch nicht überbauten «Breiti-Wiese» ist einzig ein alter Birnbaum übrig geblieben. Der 1808 gepflanzte Baum, heute auf dem Areal Schulhaus Rebacker C, verdient nicht nur wegen seines hohen Alters besonderen Schutz, sondern auch, weil sein Stammumfang beachtlich ist. Mit 4,36 Meter an der dünnsten Stelle auf einem Meter Höhe ab Boden gemessen, gehört die Birne zu den dicksten der Schweiz. Der Umfang an der Stammbasis direkt am Boden beträgt 6,30 Meter. Der Birnbaum Breiti wurde 1808 gepflanzt und ist damit über 217 Jahre alt (Stand 2025).
Die «Breiti-Birne» ist aber auch aus einem weiteren Grund eine Rarität. Es handelt sich dabei nämlich um die alte Mostbirnensorte «Amlisberger». Der Birnbaum ist damit der älteste und dickste seiner Sorte.
Fast wäre dieses Juwel abhandengekommen, denn vor einigen Jahren wurde darüber debattiert, ob man den Baum wegen der nachlassenden Vitalität fällen sollte. Zusammen mit dem Verkehrs- und Verschönerungsverein Herrliberg und «pro arbore – Bauminventar Schweiz» konnte dies 2013 verhindert werden, und auch die Gemeinde Herrliberg hat sich für den Erhalt der «Breiti-Birne» entschieden. Dank des angelegten Naturgartens kann der Baum bis zu seinem natürlichen Tod und darüber hinaus bis zur Zersetzung des Holzes stehen bleiben, was im urbanen Raum eine Novum darstellt.
An einer frequentierten Stelle kann man einen alten Baum nicht einfach sich selbst überlassen. Ein Baumpfleger sorgt deshalb durch einen regelmässigen Entlastungsschnitt für die Sicherheit und kontrolliert regelmässig dessen Zustand. Um den Schutz zu erhöhen, entstand 2023 die Idee, rund um den Baum einen naturnahen Garten anzulegen und damit eine Pufferzone gegen die Gefahr von herabfallenden Ästen zu schaffen, was der Baumexperte Michel Brunner umsetzte. Damit wurde auch das Problem des faulenden Fallobstes minimiert, welches viele Wespen anlockt, deren Stiche unangenehm ausgehen können.
Im eingezäunten Bereich finden viele Tier- und Pflanzenarten ein geschütztes Refugium. Vor allem Wildbienen, die nur auf ungestörtem, offenem Boden nisten – was rund dreiviertel aller Arten betrifft – können sich hier ansiedeln. Ökologisch betrachtet ist ein Rasen oder eine monotone Wiese weniger wert und problematischer, da diese Art von Begrünung den Boden oft verdichtet und verhältnismässig viel Wasser und Nährstoffe beansprucht.
Um die Biodiversität auch auf kleinem Raum zu erhöhen, wurde die Bodenfläche bewusst nicht ausgeebnet, sondern auch leicht in der Vertikalen modelliert. So entstehen Zonen, die in der Vollsonne stehen, Partien mit Halbschatten und Stellen die mehrheitlich im Schatten liegen. Möglichst viele Tier- und Pflanzenarten finden so einen passenden Standort, an dem sie sich wohl fühlen. Nebst Trockenzonen wie Sandlinsen für Wildbienen und Steinhaufen für Eidechsen finden sich Asthaufen für Igel, Vögel und Kröten. Eine Feuchtzone mit einem Teich, der mit Lehm ausgekleidet ist, fördert neben Wildbienen auch Frösche, Molche, Salamander, Wasserschnecken, Libellen und vieles mehr.
Durch die mit unterschiedlichsten Pflanzenarten eingebrachte Begrünung entstehen wertvolle Habitate. Nebst den heimischen Arten wurden hier im Siedlungsraum aber auch Pflanzen dazugesetzt, die beispielsweise wegen der langen Blütezeit oder wegen ihrer Eignung als Futterpflanze für Vögel und Insekten besonders wertvoll sind. Dazu können auch Gemüsearten gehören, die man bewusst blühen und für ihre Samenbildung stehen lässt. Insgesamt sind es über hundert Arten, so dass abwechslungsweise immer wieder etwas blüht.
Ein Projekt sieht vor, aus den jungen Zweigen des alten Birnbaumes mittels Aufpfropfen junge Bäume zu ziehen, um so das Gengut des alten Baumes für die Zukunft zu erhalten.

