Ein Leben für die Kunst gegeben

Erschienen am 26. April 2001 in der Zürichsee-Zeitung

Herrliberg: David Herrliberger in den Vogtei-Vitrinen.

Der Kupferstecher und Herausgeber David Herrliberger (1697-1777) lebte in Zürich, Hegi und Maur. Seine Werke sind für die Zürcher Buchillustration des 18. Jahrhunderts von grösster Bedeutung. Nun wird der Künstler „seinem Namen gerecht“: In der Vogtei Herrliberg werden einige seiner Werke vorgestellt.

Antonia Baumann*

Die Vitrinen-Ausstellung im Foyer der Vogtei Herrliberg ist gegenwärtig dem berühmten Kupferstecher und Verleger David Herrliberger gewidmet. In diesem Zusammenhang beleuchtet jede der vier Vitrinen einen Schwerpunkt von David Herrlibergers Lebenswerk. Daneben wird vertieft auf Themen wie die Überlieferung des Ortsnamen Herrliberg in alten Dokumenten eingegangen, aber auch auf Anschauungsmaterial für Kupferstich und Radierung sowie auf den Wortschatz des 18. Jahrhunderts.

Die Ausstellung wurde vom Verkehrs- und Verschönerungsverein Herrliberg, (VVH), Gruppe Archiv (Lotti Lamprecht, Marie-Louise Hess, Antonia Baumann) realisiert, mit finanzieller Unterstützung der Gemeinde Herrliberg. Die Gestaltung der Ausstellung verdanken wir Heinz Meyer, Herrliberg, und die Bildbearbeitung besorgte Roland Brändli, Meilen.

Herrliberger und Herrliberg

David Herrliberger wird 1697 in Zürich geboren und am 31. Januar 1697 im Fraumünster getauft. Er ist das drittjüngste Kind des Kunstdrechslers Johannes Herrliberger (1659-1714) und der Catharina Meyer (1653-1723) und Enkel des Pfarrers und Mathematikers Johannes Herrliberger (1630-1711). Die Herrliberger sind ein altes regimentsfähiges Burgergeschlecht der Stadt Zürich, 1375 eingebürgert mit Heinrich von Herdiberg. Erst im Jahre 1857 erlischt das Geschlecht der Herrliberger in der männlichen Linie.

Werdegang

David Herrliberger wird beim Zürcher Maler und Radierer Johann Melchior Füssli (1677-1736) zum Kupferstecher ausgebildet. 1714 entstehen erste Tuschfederzeichnungen. Herrliberger wird von seinem Taufpaten Hans Jakob Escher (1656-1734), Bürgermeister von Zürich, gefördert.

Ab 1719 führt ein zehnjähriger Auslandaufenthalt den Achtzehnjährigen nach Augsburg (Weiterbildung beim Kupferstecher und Verleger Johann Daniel Herz) sowie nach Amsterdam (Geselle des Kupferstechers und Buchillustrators Bernard Picart), London und Paris.

Der Kupferstecher und Verleger David Herrliberger in den Vogtei-Vitrinen: Anschauungsmaterial für Kupferstich und Radierung. Roland Brändli

Der Tod begleitet den Alltag

1729 kehrt Herrliberger nach Zürich zurück und heiratet Cleophea Stumpf (1703-1735), Tochter des Obervogts in Hegi und Nachfahrin des Chronisten Johannes Stumpf (1500-1577/8). Er tritt in die Zunft zur Zimmerleuten ein. Kurz darauf zieht er nach Hegi und führt die Amtsgeschäfte und die Landwirtschaft des erkrankten Schwiegervaters. Zwischen 1730-36 sterben vier neugeborene Kinder und die Ehefrau Cleophea Stumpf. Einziges überlebendes Kind ist Maria Magdalena (1733-1816). 1736 Umzug nach Zürich an den Bleicherweg, später wohnhaft an der Bärengasse im Haus „Zur vorderen Weltkugel“ (heute Museum Bärengasse). Mit knapp vierzig Jahren nimmt David Herrliberger den erlernten Beruf wieder auf und beginnt seine ausgedehnte Verlagstätigkeit. 1737 heiratet er Dorothea Ulrich (1704-1760). 1738 stirbt das einzige Kind.

Arbeitsweise

Anfänglich ist David Herrliberger Zeichner, Stecher und Verleger in einer Person. Bald lässt er auch bei Zeichnern und Malern die Vorzeichnungen für die Stiche anfertigen und arbeitet mit verschiedenen Kupferstechern und Druckereien zusammen. Die Erzeugnisse werden in der eigenen Kunsthandlung an seiner Wohn- und Geschäftsadresse verkauft. In der übrigen Schweiz und im Ausland wickelt er den Verkauf seiner Werke über Agenten ab, was eine ausgedehnte Korrespondenz mit Regierungs-, Amts- und Privatpersonen nach sich zieht. Es entstehen Werke, die für die Zürcher und schweizerische Buchillustration des 18. Jahrhunderts von grösster Bedeutung sind. Beharrliches Verfolgen seiner Ziele kennzeichnet sein verlegerisches Wirken. Herrliberger ist aber auch für andere Verleger tätig und bietet Druckerzeugnisse in- und ausländischer Verlage an. Von 1744 bis 1746 verkauft er sogar Lotterie-Lose aus Holland.

Eigener Kunstverlag

Ab 1740 wendet sich David Herrliberger vermehrt Werken mit zürcherischen Motiven zu. Es erscheinen 1740-43 in drei Folgen Darstellungen von Zürcher Herrschaftszentren: 18 Land- und Obervogteischlösser, 7 Amtshäuser, vermutlich nach eigener Zeichnung, sowie 16 Gerichtsherren- und Landsitze nach Vorlagen von Johann Caspar Ulinger (1704-1768), Pfarrerssohn aus Herrliberg, und Hans Conrad Nözli (1709-1751). Mit diesen Verlagswerken stellt sich Herrlibergers Erfolg ein. Findet sich 1742 erstmals die Bezeichnung ‚Herrlibergerischer Verlag in Zürich‘, nennt er 1748 sein Unternehmen ‚Herrlibergerischer Kunstverlag‘. Es ist für den Verlag unumgänglich, auch auf aktuelle Geschehnisse und Zeitströmungen einzugehen. Herrliberger schliesst deshalb Einzelblätter mit Darstellungen von Ereignissen mit einem gewissen Sensationswert in sein Verlagswerk ein. Dazu zählen etwa der Brand von Bischofszell (1743) oder das Erdbeben von Lissabon (1755). Auch die Herausgabe von Gedenkblättern, Porträts und Biographien berühmter Schweizer (z.B. Johann Caspar Escher, 1678-1762) sind Bestandteil der Verlagstätigkeit.

David Herrliberger im Jahre 1753, vermutlich vom befreundeten Johann Caspar Füssli d. Ä. (1706-1782). Das einzige bekannte Porträt, welches Herrliberger darstellt, bildet die Basis für spätere graphische Versionen, wofür hier ein Beispiel ist. Herrliberger lässt sich als Künstler und Verleger und nicht etwa als Gerichtsherr abbilden.

Erfolgreiche Verlagstätigkeit

Die Jahre zwischen 1738-58 stellen den Höhepunkt des Schaffens von David Herrliberger dar. In dieser Zeit erscheinen seine wichtigsten Verlagswerke, u.a.: Ceremonien-Werk (kirchliche Bräuche), Baron von Eisenbergs Reitschul (Pferdedressur-Darstellungen), Landvogteischlösser, Amtshäuser, Adelige Schlösser, Ehrentempel (berühmte Schweizer), Zürcherische Ausruff-Bilder, Ba lerische Ausruff-Bilder, Zürcherische Kleider-Trachten und Beginn der Topographie der Eydgno schaft.

Gerichtsherr in Maur

1749 kauft David Herrliberger die Gerichtsherrschaft Maur am Greifensee. Die Burg Maur wird Wohnsitz und Verlagsort, was sein Ansehen zwar erhöht, gleichzeitig aber seine Verlagstätigkeit aufgrund der geographischen Lage erschwert. Seine Kompetenzen als Gerichtsherr sind im übrigen gering. In Maur beginnt 1754 sein Briefwechsel mit dem Berner Universalgelehrten Albrecht von Haller (1708-1777). 1760 stirbt Herrlibergers zweite Ehefrau Dorothea Ulrich. Er selber leidet zunehmend an Altersbeschwerden wie Sehschwäche und Gicht. Herrlibergers selbstherrliche Amtsführung führt zu Spannungen mit der Dorfbevölkerung und dem übergeordneten Landvogt von Greifensee. Unter dem Druck des Kleinen Rats von Zürich, auf Herrlibergers eigene Kosten in Maur einen Stellvertreter einzusetzen, der die Autorität der Obrigkeit wiederherstellen soll, verkauft er 1775 die Gerichtsherrschaft, und die Stadt Zürich übernimmt die Gerichtsrechte. David Herrliberger ist damit der letzte Gerichtsherr von Maur. 1776 nimmt Herrliberger wieder Wohnsitz in Zürich und zwar am unteren Hischengraben. Anfangs 1777 erscheint der letzte Teil der Topographie. Wenig später, am 25. Mai, stirbt der achtzigjährige David Herrliberger.

Aufklärung und Vernunft

David Herrliberger lebt und wirkt im 18. Jahrhundert, dem Zeitalter der Aufklärung und der Vernunft. In dieser Epoche setzt eine sich an den naturwissenschaftlichen Erkenntnissen orientierende Kritik aller autoritätsbezogenen, irrational bestimmten Denkweisen ein. Der Gedanke des Fortschritts führt auch zur eingehenden Beschäftigung mit Geschichte, Geisteswissenschaft und Pädagogik (z.B. Rousseau, Kant, und in der Schweiz neben anderen Pestalozzi, Gessner, Lavater, Bodmer). Trotz dieser Entwicklung in Richtung Freiheit müssen Verleger, auch David Herrliberger, vorläufig noch ihre Werke in einem zeitraubenden Verfahren der Zensurbehörde zur Genehmigung vorlegen. Albrecht von Haller (1708-1777) ist als Universalgelehrter ein berühmter schweizerischer Vertreter der europäischen Natur- und Geistesgeschichte. Mit seinem philosophischen Lehrgedicht Die Alpen (1732), das 49 zehnzeilige Alexandrinerstrophen umfasst, entsteht ein herausragender lyrischer Text der Frühaufklärung in deutscher Sprache. Auf Rousseaus Gedankengut vorausweisend, stellt Haller die kraftvoll-reine Natur der Gebirgswelt der verweichlichenden Unnatur und Sittenverderbnis der städtischen Zivilisation gegenüber. David Herrliberger beteiligt sich 1773 an der ersten deutsch-französischen Ausgabe mit einem aus elf Darstellungen bestehenden Titelblatt und mit 49 Vignetten, die wahrscheinlich von Balthasar Anton Dunker (1746-1807) stammen. Herrliberger ist ein Bewunderer von Haller und korrespondiert mit ihm von 1754 bis 1777, dem gemeinsamen Todesjahr.

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*Basierend auf dem Ausstellungstext, der in Zusammenarbeit mit Lotti Lamprecht und Marie-Louise Hess entstand.
Neben vielen anderen Quellen sei auf das Buch ‚David Herrliberger‘ von Hermann Spiess-Schaad (Verlag Hans Rohr, 1983) hingewiesen.
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Die Vogtei Herrliberg ist jeweils anlässlich öffentlicher oder privater Veranstaltungen geöffnet, wobei dann die Vitrinen frei zugänglich sind.

Museum in Maur

Interessierten, die sich über die Vitrinen-Ausstellung im Foyer der Vogtei hinaus vertieft mit David Herrliberger auseinandersetzen möchten, empfehlen wir einen Besuch der Herrliberger-Sammlung im Museum Burg in Maur, wo sich im einstigen Wohnsitz von David Herrliberger eine permanente Ausstellung befindet. Dort kann auch eine Kupferstecher-Werkstatt mit Walzenpresse besichtigt werden.

Öffnungszeiten: 1. und 3. Samstag im Monat, 14 bis 17 Uhr, oder nach Vereinbarung (Frau Ch. Bozzone, Kuratorin, Tel: 044 980 30 33, oder Gemeindeverwaltung Maur, Tel: 044 980 22 21).